HFV-Abstimmung: "Rückschlag" und "fatales Zeichen"

Delegierte des Verbandstags lehnen Gleichstellung von Frauen und Männern ab und ernten harsche Kritik +++ Die Reaktionen aus Südhessen

Südhessen. Die Zustimmung zu Antrag 18 beim Verbandstag des Hessischen Fußball-Verbandes (HFV) am vergangenen Samstag in der Frankfurter PSD-Bank-Arena schien eine Formsache zu sein. Ging es darin doch um die Autonomie der Frauen im Verband und letztlich „nur“ um das Herstellen von Gleichberechtigung, denn bisher war die Vorsitzende des Verbandsausschusses Frauen- und Mädchenfußball (Professorin Silke Sinning) dem Verbandsausschuss für Spielbetrieb und Fußballentwicklung unterstellt – als einziges weibliches Mitglied dieses 13-köpfigen Gremiums. Nun sollte also nach einem Antrag des HFV-Präsidiums der Frauen- und Männerbereich voneinander getrennt werden. Zwei eigenständige Ausschüsse wären dann künftig jeweils für den Spielbetrieb zuständig gewesen.

Doch es kam anders: Vier Stimmen der Delegierten fehlten zur Zwei-Drittel-Mehrheit, die die Annahme des Antrags bedeutet hätte. 105 Delegierte votierten gegen die Gleichstellung von Frauen und Männern im HFV. Nicht nur viele weibliche Delegierte zeigten sich angesichts von 50 Jahren Frauenfußball in Hessen von der Abstimmung bestürzt. Und auch in Südhessen wurde Kritik an dem Beschluss laut.

Stefanie Hirschl, Abteilungsleiterin Frauen- und Mädchenfußball bei Viktoria Schaafheim, sieht darin ein „sehr fatales Zeichen“. Man könne im Jahr 2021 erwarten, dass es eine eigenständige Abteilung für die Fußballerinnen gebe. „Es ist sehr traurig, dass man dem Mädchen- und Frauenfußball keinen größeren Stellenwert gibt.“ Als Signal hätte sich Stefanie Hirsch gefreut, „wenn etwas Eigenes entstanden wäre“, in der Praxis laufe es aber auch mit den bisherigen Strukturen gut. „Wir haben Ansprechpartner beim HFV und die kümmern sich um alles.“

Isabell Steidle, Zweite Vorsitzende des SC Kickers Mörfelden, hat immer mehr den Eindruck, „dass Frauenfußball eine Randerscheinung bleiben soll und noch immer von vielen belächelt wird“. Ihr Fazit nach der Entscheidung zu Antrag 18: „Haben wir keine Eigenständigkeit, dann haben wir auch langfristig keine stärkere Stimme.“ Es sei eben nicht genug, einmal im Jahr den „Tag des Mädchenfußballs“ auszutragen. „Das ist eine sehr gute Förderung des HFV, aber eben nicht das Heilmittel. Talente zu finden und auszubilden, ist die Kunst.“ Wenn Deutschland langfristig international erfolgreich in Erscheinung treten wolle, „dann müssen wir ganz unten anfangen, dort wo der Nachwuchs eben herkommt; hier muss dringend mehr Förderung erfolgen.“

Für Cornelia Jegler, Spielführerin des Hessenligisten TSV Pfungstadt, ist das Ergebnis des Verbandstages „ein Rückschlag und -schritt für den Mädchen- und Frauenfußball in Hessen“. Gerade weil das Ziel sein sollte, mehr Mädchen und Frauen zum Fußball beziehungsweise zum Sport zu animieren. „Der Fußball in Deutschland lebt von neuen Talenten, die entdeckt und gefördert werden müssen.“ Gleichberechtigung, so Jegler, „wäre ein richtiger Schritt in neue Wege für den Frauenfußball gewesen“.

Doch nicht nur Frauen bedauern den Beschluss. „Meines Erachtens hätte die Bildung eines Ausschusses für Mädchen- und Frauenfußball wesentlich zu einer effizienteren Arbeit sowohl im Männer- als auch im Frauenausschuss beigetragen“, meint Regionalsportwart Robert Neubauer (Rüsselsheim). Themen wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie die demografische Entwicklung auf den Fußball, aber auch eine Reformierung des Spielklassensystems und eine Überprüfung der Anzahl von Fußballkreisen stünden an. „All diese Themen haben für den jeweiligen Bereich unterschiedliche Folgen und müssen spezifisch betrachtet werden.“ Jetzt gelte es aber, den Beschluss zu akzeptieren und innerhalb des Verbandsausschusses für Spielbetrieb und Fußballentwicklung Arbeitsformen zu entwickeln, die den Interessen aller gerecht würden.

Horst Feidner, Groß-Gerauer Kreisfußballwart, berichtet, dass die Delegierten seines Kreises geschlossen für den Antrag gestimmt hätten. „Wir waren uns einig, dass zwei Ausschüsse Sinn machen, da die Themen und Fragestellungen im Herren- und Frauenbereich doch sehr unterschiedlich sind und so effektiver gearbeitet werden könnte.“ Der Änderungsantrag sei seit Februar 2020 bekannt und im Verbandsvorstand besprochen gewesen. Aber: „Die Fußballkreise Rheingau-Taunus, Wiesbaden, Main-Taunus, Offenbach, Friedberg und Frankfurt haben die Änderung mit der Begründung abgelehnt, dass ein einheitliches Spielgeschehen bei Herren und Frauen durch getrennte Ausschüsse gefährdet wird.“

Auch Yannick Minners, Trainer des Frauen-Landesligisten FTG Winterkasten/Reichenbach II, bezeichnet das Ergebnis des Verbandstags als Rückschlag, „weil sich der HFV ansonsten stark für Gleichberechtigung und Diverstität ausspricht“. Eine Trennung der Bereiche hätte niemandem wehgetan, meint Minners, denn auch der neue Frauenausschuss hätte sich an Regeln halten müssen „und nicht vogelwild sein eigenes Ding machen können“.

Für Joachim Hademer, Verantwortlicher für Frauenfußball bei Olympia Lorsch, ist die Nichtannahme des Antrags 18 ein weiteres Zeichen dafür, „dass die Strukturen generell sehr veraltet sind, das betrifft nicht nur den Damenbereich“. Er ist für eine Teilung von Frauen- und Männerfußball, „um die Fachkompetenz zu erhöhen“, und auch für eine Verjüngung aufseiten der Funktionäre. „Leider sind zum Teil Leute in den Präsidien, die verbohrt sind und noch nie ein Frauenspiel gesehen haben, geschweige denn sich jemals im Frauenfußball engagiert haben.“

So sei es beispielsweise kein Wunder, dass bei den Themen Stützpunkttraining und Nachwuchsleistungszentren bei den Frauen nichts oder ganz wenig passiere. Hademers Forderung: „Der Verband gehört ausgewechselt. Viele Statuten funktionieren in der heutigen Zeit nicht mehr, und für Verantwortliche an der Basis wird es von Woche zu Woche immer schwieriger, die Anforderungen umzusetzen, gerade in Zeiten von Corona.“

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